Fundgrube zur Geschichte des Fahrrads
Das historische "Badwochenblatt" wurde digitalisiert. Großprojekt des Stadtarchivs Baden-Baden macht die Anfänge des Zweirades online zugänglich. Historische Zeitungsmeldungen berichten über Karl Drais, seine geniale Erfindung und deren Folgen.
Es war ein großes Projekt des Baden-Badener Stadtarchivs. Auch Laien können nun online per Suchfunktion in den Ausgaben des "Badwochenblatt" und dessen Nachfolger "Badeblatt" stöbern. Die Jahrgänge reichen von 1807 bis 1940. Interessierte rufen im Bereich Stadtarchiv die Rubrik "Zeitungen" und die gewünschte Jahreszahl auf (Link in unserer blauen Medienbox).
Erste Bergfahrt in der Geschichte des Zweirades
Unser Interesse gilt zuerst dem Jahr 1817. Im "Badwochenblatt für die Großherzogliche Stadt Baden" findet sich am 29. Juli 1817 eine sensationelle Meldung. Freiherr Karl von Drais hat am Vortag mit seiner neu erfundenen Fahrmaschine "den steilen zwey Stunden betragenden Gebirgsweg von Gernsbach hierher in ungefähr einer Stunde zurückgelegt". Die erste Bergfahrt der Geschichte.
Die Hauptidee der Erfindung sei "vom Schlittschuhfahren genommen". Der einfache Gedanke war, einen "Sitz auf Rädern mit den Füßen auf dem Boden fortzustoßen".
Schon im darauf folgenden Jahr findet sich die Meldung über Verbesserungen des Gefährts. Drais selbst nannte sie "Laufmaschine", die Presse zu seinen Ehren "Draisine". Damit legte er, nachdem er mit einigen Schritten Fahrt aufnahm, eine beachtliche Strecke zurück. Indem er "durch die ganze Länge der Haupt-Allee des Promenadeplatzes und alsdann noch links um das Eck herum seitwärts noch über 100 Schritte weiter, (im Ganzen also über 230 Schritte) balancirt hat, ohne dazwischen einen Fuß auf den Boden zu bringen". Das Blatt berichtet weiter, dass sich einige seiner Zöglinge ebenfalls dieser Kunst angenähert haben. Sie "gewährt (...) vieles Vergnügen".
Nach technischen Erfindungen und Weiterentwicklungen erlebte das Zweirad einen Boom. Wir schauen beispielhaft in das Jahr 1885.
Velociped-Tour um die Welt
Ein gewisser Mr. Thomas Stevens fuhr 1885 in 53 Tagen von "San Francisko nach Boston quer über den nordamerikanischen Kontinent", meldet das Badeblatt. Doch sein Ziel war weit größer. Er wolle "mit dem Bicycle von Liverpool nach Dover", dann weiter nach Paris, durch Deutschland, Österreich, Ungarn und die Türkei bis Konstantinopel fahren. Er plane, in Teheran den Winter zu verbringen und im nächsten Frühling China "in seiner ganzen Breite" zu durchfahren.
Lastenrad zum Preis eines Pferdes
Ebenfalls im Jahr 1885 finden wir beispielsweise die Meldung über erste Lastenräder. Metzger aus Frankfurt a.M. machten sich das Velociped dienstbar. Auf einem Dreirad hat der Metzgerbursche "einen schönen, sauberen, verschließbaren Korb, in welchem 150 Pfund Fleisch Aufnahme finden" vor sich. Die Kunden werden "rasch bedient" und "Beschmutzung oder Diebstahl des Fleisches" seien unmöglich.
Lastenräder waren schon damals teuer. Jedes "Vehikel kostet soviel als wie ein mittleres Arbeitspferd auf dem jüngsten Pferdemarkt, nämlich 550 M".
Militär zeigt Interesse
Am 12. Mai 1885 findet sich die Meldung, dass "das Velociped versuchsweise im militärischen Dienste" verwendet werden solle. An die örtlichen Infanterie-Regimenter sei eine "Mittheilung" ergangen, nach welcher "des Velocipedfahrens kundige Soldaten versuchsweise im Ordonnanzdienste" verwendet werden sollen.
Velocipedisten-Klub gegründet
Zivile Absichten entnehmen wir der Meldung vom 20. Juli 1885. Ein historischer Vorläufer des ADFC wurde gegründet. Die hiesigen Radfahrenden haben sich zu einem "Velocipedisten-Klub vereinigt". Eine "Vereinigung, welche nur mit Freuden begrüßt werden kann", heißt es weiter.
Dieser "schöne und gesunde Sport" werde "bis jetzt verhältnismäßig wenig gepflegt". Es folgt der Wunsch, dass "auch dieser Sport hier wachsen, blühen und gedeihen" möge.
Noch viel zu entdecken
Es gibt im Online-Archiv viel zu stöbern und zu entdecken. Das Stadtarchiv zeigt, dass sich die Zeiten ändern. Doch manches bleibt zeitlos aktuell.
Wer sich dem bewegten Leben von Karl Drais und dem Erfolg seiner Erfindung annähern möchte, dem sei das Buch "Automobilität - Karl Drais und die unglaublichen Anfänge" ans Herz gelegt. Autor Hans-Erhard Lessing schuf ein biographisches Lesebuch der Extraklasse. Siehe unsere blaue Medienbox.