Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Baden-Baden

Risiko Rheinbrücke

Wintersdorfer Brücke: Ohne mulmiges Gefühl nutzt sie kaum ein Radfahrer. Aktive des ADFC wollten dies genauer wissen und erhoben Messwerte. Das Ergebnis verblüffte selbst erfahrene Radler.

Überholvorgang in Rot: Mindestabstand unterschritten
Messfahrten auf Wintersdorfer Brücke in der Übersicht. Überholvorgang in Gelb oder Rot: Mindestabstand unterschritten © ADFC

Die Wintersdorfer Brücke ist der einzige für Radfahrende erlaubte feste Rheinübergang zwischen Wörth und Rheinau/Gambsheim. Die Rheinquerung über diese Brücke ist in zahlreichen grenzüberschreitenden Tourenvorschlägen ausgewiesen. Der ADFC ist der Ansicht, dass Radfahrende auf der Brücke durch Überholmanöver von PKW ohne ausreichenden seitlichen Abstand gefährdet sind.

Es ist nicht lediglich ein Gefühl der Unsicherheit und Gefahr. Ein empirischer Nachweis der aktuellen Gefährdung der Radfahrenden auf der Brücke wurde durch Messfahrten erstellt. Das Messinstrument „OpenBikeSensor (OBS)“ dokumentiert bei Überholmanövern den seitlichen Abstand zum Radfahrenden. Mehr dazu in unserer blauen Medienbox.

 

Verkehrsregeln in Deutschland und Frankreich

In Deutschland darf ein durchgezogener Mittelstrich nicht überfahren werden. In Frankreich hingegen darf seit 2015 ein KFZ den durchgezogenen Mittelstreifen zum Überholen eines Zweirads mit einem Radpaar überfahren ("chevaucher"), sofern dies gefahrlos möglich ist.

Von Frankreich kommend werden Autofahrer mit zwei Schilder auf Radfahrer hingewiesen. Die beiden blauen Schilder auf der Brücke wurden 2020 auf Initiative eines in Frankreich lebenden ADFC-Mitglieds von den französischen Behörden aufgestellt. 

Auf der deutschen Seite gibt es bisher keine Beschilderung zur Sensibilisierung der KFZ-Lenker. Kein Hinweis auf Rücksichtnahme gegenüber Radlern - auch keine Aussage über die in Deutschland gültigen Mindestabstände beim Überholen eines Zweirads.

Laterale Mindestabstände beim Überholen eines Zweirads:

  • F: innerorts 1,0 Meter, außerorts 1,5 Meter
  • D: innerorts 1,5 Meter, außerorts 2,0 Meter

Das bedeutet bei einer Richtungsfahrbahn von 3,5 Meter Breite: Ein KFZ-Lenker darf einen Radfahrer auf dem deutschen Teilstück der Brücke nicht überholen, wohl aber auf dem französischen Teilstück der Brücke.

Die durchgezogene Mittellinie wird von fast allen KFZ-Lenkern als unverbindliche Empfehlung interpretiert.

Aktiver des ADFC

Dies bestätigte das Landratsamt Rastatt im Jahr 2019: „Ein Radfahrender darf auf der Brücke nicht überholt werden, da der durchgezogene Mittelstreifen nicht überfahren werden darf und die seitlichen Mindestabstände beim Überholen somit nicht eingehalten werden können“. Das Landratsamt ist allerdings auch der Auffassung, dass die Überfahrt für Radler laut Unfallstatistik nicht sonderlich gefährlich sei.

Erschreckendes Ergebnis bei 669 Messungen

Im März 2025 befuhren die Rad-Aktiven erstmals die Brücke zu Messzwecken. Einen Erfahrungsbericht zum Download gibt es in unserer blauen Medienbox. 

Von 23 Überholvorgängen auf der Brücke erfolgten nur 5 korrekt und 18 mit zu geringem seitlichen Abstand. Ein Ausreißer? 

Ende März ein erneuter Versuch. Resultat: 144-mal von Kraftfahrzeugen überholt. Dabei unterschritten etwa zwei von drei, also fast 100 Autos, den vorgeschriebenen Mindestabstand. Als Mindestabstand wurde die französische Vorgabe von 1,5 Meter gewertet.

Inzwischen zeigen mehr als 660 Messungen stets das Gleiche. Nur bei 30 % der Überholvorgänge durch PKW wurde der Abstand von 1,5 Meter eingehalten. Bei 70 % wurde der Mindestabstand unterschritten. Die Position der Zweiräder links oder rechts der äußeren Schiene hatte keinen nennenswerten Einfluss. Ein erschreckend klares Ergebnis. 

„Die durchgezogene Mittellinie wird von fast allen KFZ-Lenkern als unverbindliche Empfehlung interpretiert - zum Glück für uns. Denn so ergibt sich für uns ein größerer seitlicher Abstand und damit mehr Sicherheit bei den Überholmanövern“, sagt ein Teilnehmer der Messfahrten.

Die Radler fuhren meist rechts vom Schienenstrang. Und wurden dabei eng überholt - auch bei Gegenverkehr. Dies zeigt eine alarmierende Missachtung der geltenden Verkehrsregeln und dadurch eine Gefährdung der Zweiradfahrenden. Fährt man weiter links, wird man zwar möglicherweise von hinten angehupt, aber bei Gegenverkehr nicht überholt. Eine deutliche Erhöhung des Abstandes wurde auch bei Fahrten zwischen den Schienen nicht festgestellt. Zudem: Um selbstbewusst links der Schiene zu fahren, braucht man schon Mut. Die Fahrt über den Rhein als Mutprobe? 

Bei der Verkehrssicherheit muss man zudem immer von den schwächsten Verkehrsteilnehmern ausgehen: würde ich meine Kinder dort fahren lassen wollen? 

Vorschläge des ADFC

Der Fahrrad-Club schlägt eine schnelle und kostengünstige Lösung vor. Sie erfordert zudem nur geringe Abstimmung mit der französischen Seite.

  1. Die bestehenden Verkehrszeichen haben Bestand (Überholverbot für KFZ, Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h).
  2. Ein unterbrochener Mittelstreifen erlaubt künftig das Überqueren der Mittellinie durch KFZ und somit das Überholen von einspurigen Fahrzeugen bei Einhaltung der seitlichen Mindestabstände (Deutschland: 2 Meter / Frankreich: 1,5 Meter).
  3. Auf deutscher Seite informiert wie auf französischer Seite eine Informationstafel oder ein Banner über die seitlichen Mindestabstände beim Überholen eines Zweirads.
  4. Fahrradsymbole werden jeweils auf der rechten Seite der Fahrspuren mit Farbe  aufgebracht (in zu definierenden Abständen).

Diese Sofort-Maßnahmen ersetzen keinesfalls die Notwendigkeit, mehr sichere Querungen des Rheins zu schaffen.

Landkreis Rastatt: Fahrräder dürfen auf Wintersdorfer Brücke überholt werden

Am 10. April 2025 teilt der Landkreis Rastatt mit: "Auf der Wintersdorfer Rheinbrücke dürfen Radfahrer künftig durchgängig überholt werden. Das Landratsamt Rastatt hat eine entsprechende Regelung für den deutschen Teil des Straßenabschnitts, der bis zur Mitte des Rheins führt, erlassen. Auf der französischen Seite der Brücke gilt dies bereits bisher wegen des anderen Verkehrsrechts, und zwar auch bei durchgezogener Linie. Andere Fahrzeuge als Fahrräder dürfen weiterhin auf der gesamten Brücke nicht überholt werden.

Mit Verkehrsschildern wird auf diese Situation künftig hingewiesen. Auf dem deutschen Teil der Brücke wird die durchgezogene Linie durch eine unterbrochene ersetzt. Faktisch gelten damit auf der gesamten Wintersdorfer Brücke durchgehend die gleichen Verkehrsregeln."

Der ADFC begrüßt diese Maßnahme. Nach Ansicht des Fahrrad-Clubs besteht jedoch das Risiko, dass andere riskante Überholmanöver auf der Brücke stattfinden. Von daher würde, nach Inkrafttreten der neuen Regel, eine Fortsetzung der Abstandsmessung sinnvoll sein, um zu sehen, ob sich an dieser Stelle etwas verändert. 

Wann genau die rechtliche Änderung in Kraft tritt, ist nicht bekannt. Erst muss eine neue Beschilderung angebracht und die durchgezogene Linie durch eine unterbrochene ersetzt werden.

 

Sternfahrt zur Kundgebung
Auch dieses Jahr ist eine Kundgebung zur misslichen Lage beabsichtigt. 
Eine Sternfahrt zur Staustufe Iffezheim ist vom ADFC für den Nachmittag des 3. Mai 2025 geplant. 
Von dort fahren die Teilnehmer demonstrativ auf dem Bauwerk in Richtung Frankreich. 
Näheres in unserer blauen Medienbox.

Daten zur Brücke

Das Bauwerk ist für die Eisenbahn konzipiert. Die Fahrbahn hat eine Breite von insgesamt etwa 7 Metern. Die Rillengleise sind mit Asphalt bodeneben verfüllt. Die Fahrbahndecke der Landstraße vom Wintersdorfer Kreisverkehr bis zur Brückenauffahrt wurde im November 2024 erneuert. Dabei wurde auch der durchgezogene Mittelstreifen auf der gesamten Brücke erneuert.

Es besteht auf der ganzen Brücke eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h und ein Überholverbot.

Auf dem französischen Teilstück appellieren zwei Hinweisschilder seit 2020 an die Rücksichtnahme gegenüber den Radfahrenden "Partageons la Route"

Eine alternative neue Brücke zur Nutzung für den Radverkehr wird in den nächsten Jahren nicht zur Verfügung stehen. 

https://baden-baden.adfc.de/neuigkeit/risiko-rheinbruecke

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