Radeln im Murgtal: Getrübte Freude
Gymnasiastin fasst Rad-Schwachpunkte der Infrastruktur im Murgtal zusammen. Die Seminararbeit zeigt erste Reaktionen bei Presse und Verwaltung.
Der Klimawandel stellt die zentrale und globale Herausforderung unserer Zeit dar. Abgasskandale belasten das Image des Automobils. Städte platzen aus allen Nähten und immer mehr Menschen drängen auf nachhaltigere Alternativen zum Auto. Es wird klar: das Bild unseres Landes, der Städte und Dörfer, aber auch der Verkehrsinfrastruktur hat sich verändert.
Die Straßen der Städte werden noch immer zum Großteil von Autos dominiert, den Radfahrenden wird in manchen Fällen nur eine
unbeachtete Nebenrolle zugestanden. Das Fahrrad wäre die Lösung für so viele Probleme, allerdings nur, wenn Politik und Verantwortliche dem Rad die Möglichkeiten auf der Bühne der Straße gleichberechtigt mit denen der Autos schaffen würden. Davon ist man vielerorts aber noch meilenweit entfernt. Auch im Murgtal.
Schülerin zeigt Missstände auf
Das zeigt Lina Schmidt in ihrer Seminararbeit "Radeln im Murgtal". Die Schülerin des Albert-Schweitzer-Gymnasiums in Gernsbach beschreibt auf über 40 Seiten gute und herausfordernde Stellen der Infrastruktur im Tal der Murg. Dies ist ein Ergebnis eines schulischen Seminarkurses „Nachhaltig mobil sein mit dem Rad“.
Die lesenswerte Arbeit (Download siehe Medienbox) bestätigt, was der Fahrradklima-Test 2020 (FKT) des ADFC zeigt: Die Situation für Radfahrende ist unbefriedigend.
"In Richtung Kuppenheim aus Gaggenau herausfahrend kann bequem auf dem Murgdamm gefahren werden. Dies ist ein schöner Radweg, allerdings auch ein Fuß- und Radweg. Dieser führt in Bad Rotenfels zu einer Unterführung für Radfahrer:innen und Fußgänger:innen unter der Bundesstraße B 462. Diese Unterführung stellt meines Erachtens ein klares Hindernis für Radfahrende dar. Autos brettern über eine breite, bestens asphaltierte Straße, während Radfahrer:innen durch eine enge und dunkle Unterführung gelotst werden", sagt Schmidt.
Mit mehreren Beispielen zeigt die 17-Jährige, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt. So machen unnötig breite Bügel den Radfahrenden das Fortkommen beschwerlich.
Anhand einer exemplarischen Radtour zeigt Schmidt in Text und Bild beispielsweise schmale und kurvige Wege in Ottenau auf. Sie lobt aber auch die neu ausgewiesenen Fahrradstraßen in Ottenau und Gaggenau (siehe Medienbox). Auch die Verbesserungen entlang der touristischen "Tour de Murg" würdigt sie in ihrem Aufsatz.
Es ist klar: tolle Radwege, fahrradfreundliche Städte und gute Radinfrastruktur locken auf das Rad, doch letztlich entscheidet immer noch der Bürger, ob das Auto oder das Fahrrad genutzt wird."
Lina Schmidt
Die Autorin macht neben der kritischen Bestandsaufnahme auch konkrete Vorschläge zur Verbesserung:
- Anbringung von Spiegeln in Kurven (Ottenau)
- Bereits bestehende Radstreifen auf Fahrbahnen deutlicher
kennzeichnen bzw. hervorheben - Anbringung von Haltegriffen für Radfahrer:innen an Ampeln
- Verbreiterung/Neuasphaltierung des Rad-/Fußgängerweges neben dem Pionierweg (Ottenau)
- Asphaltierung von Wegen, welche viel von Radfahrenden genutzt werden
- Verbesserungen und Veränderungen bei Tunneln sowie Unterführungen vornehmen (Bsp. Tunnel Elefantenweg und Unterführung unter der B 462 in Bad Rotenfels)
- und vor allem: breitere Gestaltung der Feld- und Radwege
Kapitel zu Fahrradmitnahme im öffentlichen Nahverkehr, zu Ladestationen für Pedelecs bis hin zur Radschnellverbindung im Rheintal runden die bemerkenswerte Arbeit ab.
Erste Reaktionen positiv
Die Badischen Neuesten Nachrichten berichteten am 8. und 18. Juni 2021 über Radtouren zu Problemstellen. Gemeinsam mit dem Kreisvorsitzenden des ADFC Baden-Baden, Ralph Neininger, fuhr die Gernsbacherin am Beispiel der Strecke Hörden - Rotenfels, einige Schwachstellen ab. Eine weitere Tour nahm Gernsbach kritisch unter die Pedale.
Das Badische Tagblatt plant eine Serie zu Radfahren im Murgtal.
Jürgen Zimmerlin, Leiter des Stadtbauamts Gernsbach, will die Arbeit als „Anstoß“ nutzen, um einiges in Gernsbach voranzutreiben. Er findet die für Gernsbach genannten Vorschläge gut, weist darauf hin, dass diese allerdings die verschiedenen Zulassungsstellen der Behörden durchlaufen müssten bevor es zu einer konkreten Umsetzung kommen kann. Zimmerlin schlägt vor, eine Liste mit den Problemstellen in Gernsbach anzulegen.
Ein schöner Erfolg einer exzellenten Seminararbeit.
Hinweis:
Einen kritischen Bericht über seine Rad-Erlebnisse in Rastatt und im Murgtal bei einer Deutschlandtour schrieb auch der Journalist Martin C. Roos.
Wir zeigen einen Ausschnitt:Murg-Murks